Eine neue Studie sorgt für Verunsicherung: Werden Cannabisnutzer vermehrt in die Psychiatrie eingewiesen? Die Zusammenhänge sind deutlich komplexer.
Die Studie zu Cannabiskonsumenten in der Psychiatrie
Das Team um Prof. Maximilian Gahr vom Universitätsklinikum Ulm führte eine Studie zur Entwicklung der stationären Einweisungen durch, die im Zusammenhang mit Cannabiskonsum stehen. Diese stiegen im Zeitraum von 2000 bis 2018 um den Faktor sechs. Die genauen Zahlen lauten wie folgt: 3.393 Einweisungen fanden im Jahr 2000 statt, im Jahr 2018 waren es 19.091. Anders als vielleicht erwartet, warnt die Studie nicht vor der geplanten Cannabislegalisierung, sondern zeigt mehrere Gründe, auf die dieser Anstieg von Einweisungen zurückgeführt werden kann.
Gründe für den Anstieg der psychiatrischen Einweisungen
Ein Grund ist laut den Autoren der erhebliche Anstieg des Konsums von synthetischen Cannabinoiden, die eine stärkere Abhängigkeit, mehr psychische Probleme und auch mehr körperliche Schäden verursachen als die natürlichen Cannabinoide. Seit 2008 gibt es diese Drogen aus dem Labor, die zuerst als „Legal Highs“ verkauft wurden. Sie werden oft unter natürlichen Cannabis gepanscht, ohne dass die Käufer dies feststellen können. Hunderte Kilos solchen gepanschten Materials wurden in den letzten Jahren beschlagnahmt.
Ein weiterer Grund ist, dass die auf dem Markt erhältlichen Cannabisprodukte immer mehr THC enthalten, allerdings meistens nicht so viel wie in THC-haltigen Produkten aus der Apotheke. Dafür enthalten viele Sorten inzwischen weniger CBD, das antipsychotisch gegen die Effekte des THCs wirkt. Die Aussage, dass Marihuana mit hohem THC-Gehalt aus gentechnisch veränderten Pflanzen stammt, ist falsch und es gibt keinerlei Hinweise, dass solche Substanzen auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind.
Ein letzter Grund für den Anstieg von Cannabiskonsumenten in psychiatrischen Krankenhäusern: Die Krankenkassen haben ein neues Abrechnungssystem eingeführt, das Pauschale Entgeltsystem. Damit wurden für die Kliniken Anreize für die Verkürzung von stationären Aufenthalten geschaffen, was dazu führte, dass Patienten früher entlassen und bei Bedarf später als erneut aufgenommen wurden. Die Anzahl der behandelten Patienten und die Aufenthaltsdauer in der Klinik veränderten sich jedoch dadurch kaum, nur die Einweisungszahlen stiegen an.
Welches Fazit zieht die Studie?
Eine Vermutung der Autoren der Studie war zunächst, dass die Zunahme des Cannabiskonsums in den letzten Jahren auf eine verminderte Risikowahrnehmung aufgrund der geplanten Legalisierung zurückzuführen sein könnte. Die Zahlen zeigen jedoch, dass dies nur in einem äußerst geringen Maß zutreffen kann. In der Gruppe der Jugendlichen, die besonders gefährdet für psychische Störungen sind, ist der Konsum niedriger als im Jahr 2000. Der Konsum der jungen Erwachsenen ist so moderat angestiegen, dass kein Zusammenhang mit der Vervierfachung der Einweisungen hergestellt werden kann.
Viele Einweisungen in die Psychiatrie erfolgten aufgrund von Suchtproblematiken. Diese stiegen um den Faktor zehn von 959 Einweisungen im Jahr 2000 auf 9971 Einweisungen im Jahr 2018. Aufgrund des Paragraphen 35 „Therapie statt Strafe“ können seit 1982 entsprechende Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren durch Drogentherapien ersetzt werden. Dies wurde von vielen Drogenabhängigen genutzt, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Laut vorliegenden Zahlen für den Zeitraum von 2001 bis 2010 stiegen bereits in dieser Zeit die Einweisungen um 500 Prozent an. Diese liegen nicht an akuten psychischen Ausnahmezuständen, sondern an gerichtlichen Auflagen und lassen keinen Rückschluss darüber zu, ob die Betroffenen unter psychischen Problemen wegen Cannabiskonsums leiden.
Was spricht für die Legalisierung?
Wenn Cannabis legal und kontrolliert verkauft wird, wird auch die Qualität überwacht. Gepanschtes Material würde gar nicht in den Handel kommen. Auch der THC-Gehalt würde überwacht und THC mit CBD kombiniert, um die problematischen Wirkungen von THC abzuschwächen. Die Konsumenten könnten aufgrund der angegebenen und eingehaltenen Inhaltsstoffe eine qualifizierte Kaufentscheidung treffen. Im Moment können sie auf dem Schwarzmarkt die Qualität der von ihnen gekauften Produkte überhaupt nicht einschätzen.
Fazit
Die Autoren der Studie konnten nicht belegen, dass die Zunahme der psychiatrischen Einweisungen mit dem Konsum von Cannabis in Zusammenhang stehen.