Berlin. Zur Vorbereitung des ersten Gesetzentwurfs hat der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert Experten unterschiedlicher Organisationen kontaktiert und sie gebeten, ihre Positionen und Vorstellungen zu artikulieren und zu diskutieren. CannaTrust vergleicht die unterschiedlichen Positionspapiere zur Cannabis Legalisierung.
Wie soll die Cannabis Legalisierung aussehen?
Die Bundesregierung muss einige Eckpunkte klären, bevor sie Cannabis zum Freizeitgebrauch legalisieren kann. Hier finden Sie eine Übersicht zu den Positionen der verschiedenen Verbände:
Das Bundesministerium hat die Expertenmeinungen aus unterschiedlichen Bereichen angefordert. Folgende Organisationen beurteilen die anstehende THC Legalisierung:
wirtschaftliche Verbände
- Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW)
- Deutscher Hanfverband (DHV)
psychologische Verbände
- Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK)
deutsche Suchtgesellschaften
- Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung Suchttherapie e.V.
- Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e.V.
- Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie e.V.
- Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.
medizinische Verbände
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)
- Kinder- und Jugendpsychiatrische und Kinder- und Jugendmedizinische Fachgesellschaften und Verbände in Deutschland
Strafrecht und Polizei
- LEAP (Law Enforcement against Prohibition)
Ab wie viel Jahren soll Kiffen erlaubt werden?
Cannabiskonsum vor 21 Jahren kann wegen der noch andauernden Gehirnentwicklung gefährlich sein.
DHV, BvCW, BPTK und LEAP sprechen sich für eine Abgabe ab 18 Jahren aus, wobei nicht alle Vertreter dieser Organisationen damit konform gehen. DGPPN und die suchtmedizinischen Fachgesellschaften sind der Meinung, dass eine Abgabe erst ab 21 Jahren erlaubt werden sollte.
Die Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendmedizin sind aufgrund der bis in das dritte Lebensjahrzehnt stattfindenden Hirnreifungsprozesse gegen eine Abgabe ab 21 Jahren, gaben aber auch kein für sie akzeptables Alter an.
Braucht es eine THC-Obergrenze?
Die Wirkung von THC ist bewusstseinserweiternd: Dieses Cannabinoid aus der Hanfpflanze sorgt für einen Rausch. Je mehr THC desto größer der Rausch, je mehr und regelmäßiger THC desto größer sind auch die gesundheitlichen Risiken.
Der DHV, der BvCW und LEAP möchten keine Obergrenze. Die BPtK und die suchtmedizinischen Fachgesellschaften fordern eine Obergrenze von 15% THC. Die DGPPN findet diese Grenze zu hoch und möchte bereits bei 10% THC die entsprechenden Produkte als gefährlich klassifizieren.
Das Problem: Mit einer Obergrenze würde der Schwarzmarkt weiterbestehen, denn Menschen würden dort Marihuana mit hohen THC-Gehalt kaufen. Durch die Cannabis Legalisierung soll der Schwarzmarkt eigentlich beseitigt werden.
THC-Obergrenze: ja, um Gesundheitsrisiken einzuschränken. Nein, denn fördert Schwarzmarkt.
Sind Edibles gefährlich für Kinder?
Experten haben Angst, dass Kinder Zugriff auf THC-haltige Edibles haben.
Edibles, Süßigkeiten oder Getränke mit THC oder CBD sind besonders in den USA und Kanada beliebt. Leider gibt es Meldungen von Kindern, die THC-haltige Edibles für Süßigkeiten gehalten und zu sich genommen hatten. Die Gruppe der Mediziner und Suchtberater ist gegen die Freigabe von Edibles und THC-haltigen Getränken.
Der DHV, der BvCW und LEAP hingegen sind für die Freigabe, verbunden mit einer sorgfältigen Beratung der Konsumenten und entsprechenden Verpackungen mit Sicherheitsmechanismen, die den versehentlichen Zugang von Kindern verhindern.
Obergrenzen von Abgabe- sowie Besitzmengen
Die suchtmedizinischen Fachgesellschaften und die DGPPN sprechen sich für eine Obergrenze bei der Abgabe im Geschäft aus. Die DGPPN möchte eine Abgabemenge analog zu einem „nicht täglichen Konsum“ definieren. LEAP schlägt eine Obergrenze für den Verkauf von 60 g ein, die auch als private Besitzobergrenze gefordert wird.
Das Dilemma: Eine Obergrenze widerspricht dem Gedanken der Entkriminalisierung, Entstigmatisierung sowie der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Andererseits sind Drogen in großen Mengen gefährlich.
Grenzen von Abgabe- und Besitzmengen müssten durch die Polizei kontrolliert werden.
Wer soll Cannabis verkaufen dürfen?
Fachgeschäfte oder Apotheken sind mögliche Verkaufsstellen.
Zur Auswahl stehen Fachgeschäfte und Apotheken. Der Hanfverband möchte Medizin und Genussmittel trennen, ist also gegen die Abgabe von Genusscannabis durch Apotheken. Die anderen Organisationen fordern einen Fachhandel, der bestimmte Bedingungen einhalten muss. Die suchtmedizinischen Fachgesellschaften wünschen sich Cannabis in staatlicher Hand, damit private Gewinnabsicht nicht zu unerwünschten Effekten führt.
Wo soll Cannabis verkauft werden?
Die BPtK, DGPPN und die suchtmedizinischen Fachgesellschaften fordern auch eine Begrenzung der Abgabestellen und Öffnungszeiten. Die DGPPN möchte sogar den Kommunen die Möglichkeit bieten, abgabefreie Bereiche zu schaffen. Alle Gruppen sprechen sich für Mindestabstände zu Schulen aus. Im städtischen Raum könnten dadurch die Fachgeschäfte an den Stadtrand oder in Industriegebiete verdrängen, was den legalen Zugang zu Cannabis stark einschränken könnte.
Abgabestellen sollen Mindestabstand zu Schulen haben.
Joint aus dem Onlinehandel?
Joint online?
Im ländlichen Bereich kann hingegen die Profitabilität solcher Fachgeschäfte problematisch sein, daher sind der DHV wie auch der BvCW für einen Onlinehandel mit konsequenter Altersüberprüfung. Die schulmedizinischen Fachgesellschaften sind für ein konsequentes Konsumverbot in den Abgabestellen, der LEAP und der DHV sprechen sich hingegen dafür aus.
Werbung für Bier ja, aber für Marihuana nicht?
Der BvCW wünscht sich Werbeeinschränkungen analog zur Alkoholwerbung, alle anderen Organisationen sind für ein öffentliches Werbeverbot. Der DHV schlägt deshalb vor, Werbung nur in den Fachgeschäften und in Fachpublikationen zu erlauben und diese Regelung auch auf Alkohol und Tabak anzuwenden. Die DGPPN und die suchtmedizinischen Fachgesellschaften fordern, dass Cannabisprodukte werbefrei verpackt werden. Die BPtK möchte gar keine Werbung für alle legalen Drogen.
Warum soll Alkoholwerbung erlaubt bleiben?
Wie wird Jugendschutz gesichert?
Alle Gruppen sind sich einig, dass es Zugangsbeschränkungen für Kinder und Jugendliche sowie mehr Prävention und Aufklärung für Jugendliche geben sollte.
Jugendschutz ist oberste Priorität.
DGPPN, BPtK und DHV möchten dazu Mittel aus den zu erwartenden Steuereinnahmen verwenden. Die BPtK fordert zusätzlich, dass an Schulen und Aufklärungsprogramme verpflichtend werden sowie Suchtprogramme in allen Kommunen.
Der DHV fordert eine Entkriminalisierung von jugendlichen Cannabiskonsumenten, sodass sie Hilfe leichter annehmen können. Die BPtK, DHV und BvCW fordern höhere Bußgelder für die Abgabe on legalen Drogen an Minderjährige und ggfs. auch den Entzug der Lizenz für den Handel.
Hanfpflanze auf dem Balkon: Eigenanbau ja oder nein?
LEAP, der DHV und der BvCW sind für die Möglichkeit, in kleinem Rahmen Cannabis anzubauen. LEAP schlägt drei weibliche Pflanzen als erlaubte Menge vor. Der Hanfverband schlägt zusätzlich vor, dass dies lizenz- und steuerfrei sein sollte. LEAP und der DHV fordern die Möglichkeit des Gemeinschaftsanbaus in Social Clubs.
Cannabis aus Eigenanbau?
Führerschein weg nach dem Kiffen?
Was wenn THC bei einer Polizeikontrolle nachgewiesen wird?
Falls Konsumenten mit THC im Blut erwischt werden, ist der Führerschein weg (siehe auch THC Abbaurechner). DHV und LEAP fordern daher eine Novellierung des Straßenverkehrsrechts.
LEAP schlägt eine Erhöhung des Grenzwerts für THC im Blut auf 5ng/ml Blutserum und die Erarbeitung eines neuen Grenzwerts auf der Basis von internationalen Erkenntnissen vor. Außerdem wünscht sich der DHV, dass rückwirkend die eingezogenen Führerscheine an Fahrer zurückgegeben werden, die diesen Wert unterschritten hatten.
Fazit: Positionsvergleich zur Cannabis Legalisierung
Einigkeit besteht vor allem im Werbeverbot und in der Notwendigkeit des Jugendschutzes und der Prävention. Ansonsten haben die Organisationen viele gute Argumente und wissenschaftliche Erkenntnisse vorgetragen, die für einen Gesetzesentwurf hilfreich sind.
Wir von CannaTrust finden, dass sich die Bundesregierung vor allem an Erfahrungen aus anderen Ländern orientieren sollte. In Kanada oder den Niederlanden bspw. ist Marihuana legal. Aus Fehlern und Vorteilen dieser Legalisierungsmodelle kann Deutschland lernen.
Die einzelnen Positionspapiere
- Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW): Eckpunktepapier
- Deutscher Hanfverband (DHV): Wichtige Eckpunkte
- Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK): Standpunkt
- Deutsche Suchtgesellschaften – Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V., Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e.V.,
- Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie e.V., Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.: Positionspapier
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN): Positionspapier
- Kinder- und Jugendpsychiatrische und Kinder- und Jugendmedizinische
Fachgesellschaften und Verbände in Deutschland: Appell - LEAP (Law Enforcement against Prohibition): Positionspapier