Tausende Tote pro Jahr, blutige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Drogenkartellen und Kokainplantagen, soweit das Auge reicht. Diese Bilder gehören zu den – sicherlich nicht ganz zu Unrecht – Stereotypen, wenn man an Lateinamerika denkt. In kaum einer anderen Region haben Drogenbanden einen derart großen Einfluss auf Staat und Bevölkerung wie zwischen Rio Grande und Feuerland. Dass es auch völlig anders geht, beweist Uruguay. Zwar gibt es auch hier massive Probleme mit Kokain und weiteren harten Drogen, im Umgang mit Cannabis ist das Land allerdings Weltspitze. Die Ausgabe ist streng staatlich reguliert, einen großen Schwarzmarkt sucht man ebenso vergeblich wie Beschaffungskriminalität. Eine Expertin spricht gar von den besten Gesetzen der Welt. Trotzdem muss noch viel passieren.
Drogenexpertin und Ärztin Raquel Peyraube äußerte sich einem Medienbericht nach über die Cannabis-Gesetzeslage in ihrem Heimatland Uruguay:
„Im weltweiten Vergleich funktioniert das uruguayische Modell am besten. Es handelt sich nicht einfach um eine Liberalisierung, bei der alles dem Markt überlassen wird, sondern der Staat übernimmt Verantwortung für die Sicherheit, die Menschenrechte und die öffentliche Gesundheit“, so die Medizinerin.
Schreckensszenarien traten nicht ein
Bevor die Regierung in Montevideo im Jahr 2013 die heutige Cannabis-Gesetzgebung auf den Weg brachte, gab es viel Gegenwind und Warnungen, insbesondere auch seitens der UN. Viele Schäden und wesentlich mehr drogenabhängige Jugendliche wurden prophezeit. Von den Szenarien ist de facto nichts eingetreten.
„Der Konsum hat zwar zugenommen, aber laut Studien weniger als in prohibitionistischen Ländern wie Frankreich, Argentinien oder Brasilien“, so Raquel Peyraube.
Anders als zum Beispiel in dem US-Bundesstaat Colorado, in dem der Cannabiskonsum seit 2014 ebenfalls erlaubt ist, verzichtet man in dem südamerikanischen Land auf PR-Aktionen wie Happy Hours, Sonderangebote oder Rabattaktionen. In Uruguay steht die staatliche Regulation über der Marktliberalität – ein Modell, was für viele Länder laut der Ärztin, durchaus als Referenz dienen könnte. Von einer Vorbildfunktion, so Peyraube, würde sie aber nicht unbedingt sprechen. Dafür gäbe es noch zu viele Schwächen.
Apotheken sind der falsche Ort für Cannabis zu Genusszwecken
Nachdem die Legalisierung 2013 erfolgte, erwarteten die Menschen eine sofortige Verfügbarkeit. Bis diese allerdings halbwegs gegeben war, vergingen viele Jahre. Der ebenfalls legalisierte eigenständige oder gemeinschaftliche Anbau von Hanf wurde nur zurückhaltend wahrgenommen. Bis heute schaffen es die Apotheken nicht, den Bedarf komplett zu decken. Einen kleinen Schwarzmarkt gibt es daher auch weiterhin, aber auf niedrigem Niveau. Zudem sieht Drogenexpertin Raquel Peyraube ein Problem mit den Verkaufswegen:
„Cannabis zu Genusszwecken in Apotheken anzubieten, ist etwa so, als würde man dort auch Wein oder Tabak verkaufen. Besser wäre, eigene Cannabisshops zu schaffen, mit psychosozialer Betreuung, um Schaden zu minimieren.“
Hanf zur medizinischen Nutzung gehört dagegen sehr wohl in die Apotheke, so die Ärztin. Aber auch hier ist wenig passiert. Trotzdem wagt es heute kein Politiker mehr, im Falle eines Wahlsieges die Uhr zurückzudrehen und Hanf wieder vollends zu verbieten.
„Dafür ist die Erfahrung, die wir in Uruguay gemacht haben, zu positiv“, so Peyraube.