Interview mit BvCW-Geschäftsführer Jürgen Neumeyer

Geschäftsführer Branchenverband Cannabiswirtschaft

Seit einiger Zeit ist der Branchenverbands Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) Mitglied unseres CannaTrust Beirats. Wir möchten Euch nun den Verein aus Berlin vorstellen und Euch mit in unser Interview nehmen:

CannaTrust.eu: “Wir sind die Stimme der Cannabiswirtschaft” lautet der Slogan des Branchenverbands Cannabiswirtschaft e. V.. Was sind denn Ihre wichtigsten Eckpfeiler? Wie gestaltet sich Ihr vorgehen?

Neumeyer: „Wir kümmern uns um die Belange, die die Cannabiswirtschaft in Deutschland hat, und zwar in allen bislang legalen Bereichen. D.h. Medizinalcannabis, Nutzhanf, Hanf in Lebensmitteln, CBD und andere Cannabinoide für den nicht-medizinischen Gebrauch und alles, was im Umfeld der sonstigen Cannabiswirtschaft wichtig ist: Technik, Handel und Dienstleistungen. Natürlich sind wir nach anderthalb Jahren [die Gründung des BvCW war im Dezember 2019, Anm. der Redaktion] immer noch im Aufbau. Aber mit den Kompetenzen unserer Mitglieder, den politischen Kontakten und mit der fachlichen Unterstützung, z.B. in unserem wissenschaftlichen Beirat sind wir auf einem guten Weg, in Zukunft sagen zu dürfen: Wir sind DIE Lobby-Organisation der Cannabiswirtschaft in Deutschland – hoffe ich zumindest. Insgesamt arbeiten der BvCW jetzt schon daran, verbesserte Marktbedingungen für die Menschen und die Unternehmen der Cannabiswirtschaft umzusetzen.“

CannaTrust.eu: Welche Fachbereiche umfasst die Arbeit des Branchenverbands Cannabiswirtschaft e.V.?

Neumeyer: „Die Arbeit umfasst natürlich die Ansprache von Fach-Politikern, die mit dem Thema zu tun haben, in jeglicher Hinsicht. Normalerweise arbeiten wir hier tatsächlich auf Bundesebene, sowohl mit der Legislative, also dem Bundestag als auch mit der Exekutive, also mit der Bundesregierung und den untergeordneten Behörden und zum Teil durch die Zurverfügungstellung von Informationen zur Jurisdiktion und Ähnlichem. Wir versuchen parallel natürlich auch eine gewisse Öffentlichkeitsarbeit darzustellen; das machen wir über Pressemitteilungen und seit einiger Zeit haben wir unsere Publikationsreihe „Elemente“ Schriftenreihe der Cannabiswirtschaft herausgebracht, die wir immer wieder ergänzen und aktualisieren. Was gibt es für Zahlen, was gibt es für Argumente, wie entwickeln sich die politischen Diskussionen und Ähnliches. Sobald wir wieder dürfen, wollen wir natürlich auch mit Fachveranstaltungen und Ähnlichem präsent sein, damit die reale Vernetzung wieder stattfinden kann. Das hatten wir ja jetzt lange Zeit nicht mehr.“

CannaTrust.eu: Herr Neumeyer, Sie sind der Geschäftsführer des BvCWs, sie sind Diplompolitologe,  waren in den 1990er Jahren Drogenreferent beim Bundesverband der Jusos und haben auch zum Thema Drogenpolitik und Cannabis publiziert. Stellen Sie sich doch kurz vor.

Neumeyer: „Ja, gerne. Vielen Dank für diese Gelegenheit. Ende der 1980er Jahre war Drogenpolitik kein öffentliches Thema. Ich empfand aber die fundamentalen Ungerechtigkeiten damals ähnlich denen wie zum §218 oder zum §175. Ich war jung und wollte das ändern. Die Erzählungen zu Cannabis waren meistens hanebüchen, die Literaturlage war dürftig und die politische Situation nahezu aussichtslos. Es hieß also: Aufklären und Thematisieren! Wissenschaft musste auf Politik treffen, Betroffene ein Wort bekommen und Medien aktiviert werden. Die Wirtschaft gab es damals quasi nur illegal – und hatte wenig Interesse an Öffentlichkeit oder gar an der Frage, wie man Cannabis in den Fachhandel bringt. Im Übrigen: Nicht alles hat sich in diesen 30 Jahren geändert. Aber immerhin: Die wissenschaftliche Literaturlage ist besser und es gibt Internet; Nutzhanf darf eingeschränkt seit Mitte der 90er wieder angebaut werden und es gibt ein Cannabis als Medizin Gesetz in Deutschland.

Insgesamt habe ich siebzehn Jahre im Bundestag und dem entsprechenden Umfeld gearbeitet und später auf der anderen Seite etliche Jahre als selbstständiger Politikberater, also als Lobbyist. Das aber auch in ganz anderen Bereichen. Wenn man so will, kenne ich also mehrere Seiten: Politik und Wirtschaft. Vor rund drei Jahren habe ich entschieden, „back to the roots“ zu gehen und wieder sinnvolle Fragen zu bearbeiten. Mit meinen bescheidenen Möglichkeiten versuche ich nun, Verbesserungen für die Cannabiswirtschaft umzusetzen: Aufklären, Lobbyarbeit und Vernetzen! Um bessere Marktbedingungen für unsere Branche zu erreichen und einen rationaleren Umgang mit Cannabis in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. „

CannaTrust.eu:  Wir von CannaTrust interessieren uns selbstverständlich besonders für das Thema CBD. Hier habt ihr einen eigenen Fachbereich. Welchen Fokus habt ihr hier?

Neumeyer: „Für CBD-Produkte braucht es einen klaren Rechtsrahmen. Razzien, monatelange Prozesse, überflüssige Kontrollen sollten ein Ende haben, wenn wir uns auf folgende Regeln verständigen:  Erstens, einen Dreiklang von Grenzwerten

  • a) für natürlich vorkommendes CBD und den Alltagsgebrauch bedarf es u.E. keine weiteren Einschränkungen.
  • b) Für angereicherte Extrakte sollten Grenzwerte, z.B. im Bereich Novel Food geben und
  • c) hohe Grenzwerte sollten für den Bereich der CBD-Heil- und Arzneimittel mit entsprechenden Zulassungen gelten.

Wenn wir dann noch Qualitätssiegel mit einheitlichen Analyseverfahren und gute Selbstverpflichtungen der CBD-Wirtschaft vorlegen, wären wir viele Schritte weiter. Dafür treten wir ein!

Obwohl wir noch relativ jung sind, konnten wir mit Fachpolitikern aus allen Fraktionen reden. Aus jeder Fraktion haben wir Vorschläge gehört und auch notiert (in „Elemente“, Band 7 ). Von allen Fachpolitikern wurde vorgeschlagen, dass es einen sinnvollen rechtlichen Rahmen für CBD-Produkte geben soll. Das freut uns sehr, weil dass das erste Mal war, dass uns dies vonseiten der Bundespolitik in dieser kompletten Form signalisiert wurde. Wir sind also sehr zuversichtlich, dass wir spätestens nach der Bundestagswahl zu einem Prozess kommen werden, der CBD in Deutschland besser handhabbar macht. Das ist eines unserer großen Themen für den Bereich CBD in Deutschland. Außerdem sollte in diesem Bereich viel mehr geforscht werden.

Im Übrigen: Nutzhanf und seine Produkte muss aus den Fängen des BtmG befreit werden. Auch das ist ein Ziel unseres Verbandes.“

CannaTrust.eu: Sie werden im Beirat von CannaTrust vertreten sein. Was halten Sie von unserem Projekt und wo sehen Sie Schnittpunkte in der Zusammenarbeit?

Neumeyer: „Ich finde es grundsätzlich richtig, dass wir zu mehr Qualitätsaussagen im Bereich von CBD und überhaupt von Hanfprodukten kommen. Als Verband arbeiten wir zurzeit selber an Qualitätssiegeln und entsprechenden Analyse- und Prüfverfahren. Das ist aber noch nicht fertig. Insofern freue ich mich über alle Bemühungen, die die Markttransparenz befördern. Das ist nötig, weil es leider auch schwarze Schafe in unserer Branche gibt. Die gibt es aber leider überall.“

CannaTrust.eu: Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. dient als Interessenvertretung der gesamten deutschen Cannabiswirtschaft. Wo liegt denn aktuelle besonders Euer Augenmerk?

Neumeyer: „Zum einen müssen wir uns darum kümmern, dass wir den Nutzhanf aus den Regularien des Betäubungsmittel-Gesetzes befreien. Hier sehen wir momentan eine Entwicklung, dass es zunehmend Restriktionen, zunehmend schwierige Einschätzungen der Rechtslage und der Auslegung gibt, obwohl sich das Gesetz seit fast dreißig Jahren überhaupt nicht geändert hat. Und deswegen ist es besonders wichtig, dass wir mindestens den Nutzhanf aus dem BtMG gestrichen wird.

Ein anderer Punkt ist z.B.: Wir müssen zu mehr Entbürokratisierung im Bereich Medizinalcannabis kommen, auch die Anerkennungsquoten durch die gesetzlichen Krankenversicherungen sollten erhöht werden. Insgesamt brauchen wir im Bereich Cannabis mehr Forschung und ein verlässlicheres, wirtschaftliches Umfeld. In anderen Teilen der Welt sind sie uns um Jahre voraus. Wir müssen aufholen! In Deutschland und der EU. Das geht nur mit fairen Marktbedingungen und handhabbaren Regularien.“

CannaTrust.eu: Was sind Eure nächsten Ziele? Wo sehen Sie die deutsche Cannabiswirtschaft in den nächsten Jahren?

Neumeyer: „Aktuell müssen wir uns natürlich um die CBD-Fragen kümmern. Dort ist am meisten Druck. Bei Medizinalcannabis stehen z.B. Fragen zum Regressausschluss der Ärzte und die hohen Ablehnungsquoten der Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen an. Wir kümmern uns natürlich auch um die aktuellen THC-Grenzwerte bei Nutzhanf/ CBD-Produkten. Unser Ziel ist eine Obergrenze von 1,0 %, so wie in der Schweiz. Wir kümmern uns auch um Entbürokratisierung, gerade was den Anbau von Nutzhanf und Ähnliches anbelangt, z.B. Blühmeldungen oder Erntefreigaben, kleinteilige überflüssige Geschichten. Vor Kurzem haben wir eine Umfrage zur Restriktion von Zahlungsdienstleistern, die in der Hanfbranche immer wieder vorkommen, durchgeführt oder zum sogenannten “Shadow Ban”, dass man bei den ganzen Werbungen nicht auftaucht, wie bei PayPal, Amazon und in anderen sozialen Medien. Ein weiteres Problem ist, dass manche Hanfunternehmer überhaupt kein Bankkonto eröffnen können …

Ein weiteres Thema sind vernünftige Grenzwerte bei den CBD-Produkten. Natürlich vorkommendes CBD sollte für den Alltagsgebrauch nicht weiter reguliert werden. Wir brauchen außerdem einen Bereich, in dem wir Grenzwerte haben, innerhalb dessen man CBD durchaus als Novel Food deklarieren sollte bzw. das Produkt von der Novel Food Verordnung erfasst werden sollte. Und wir brauchen verlässliche Grenzwerte, ab wann CBD als Heil- oder Arzneimittel gehandhabt wird. Diesen Dreiklang sollten wir in Deutschland vielleicht sogar EU-weit regulatorisch ins Auge fassen und durchsetzen.“

Cannatrust.eu: Vielen Dank für das Gespräch. Wollen Sie unseren Partnern noch etwas mitgeben?

Neumeyer: „Ich danke ebenfalls für diese Gelegenheit. Ja, gerne: Falls der ein oder die andere sich in unseren Zielen wieder findet… Lobbyarbeit kostet Geld und Engagement. Wir freuen uns also auf tatkräftige neue Mitglieder, die unserer Branche langfristig einen guten Weg bauen wollen.“

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