Neben Südostasien gibt es kaum eine Region mit derart restriktiven Drogengesetzen wie den arabischen Raum. Bereits kleinste Mengen berauschender Stoffe bedeuten im günstigsten Fall einen Gefängnisaufenthalt. Auch die medizinische Nutzung von nicht suchtauslösenden Hanfprodukten mit CBD ist offiziell nicht gestattet. Allein die nahe Verwandtschaft zu THC genügte, um Konsumenten mit teils drakonischen Strafen zu belegen. Als erster arabischer Staat hat nun der Libanon die medizinische Nutzung von Cannabis legalisiert. Experten bewerten den Schritt als richtig, zumal er aller Voraussicht nach die stark angeschlagene Wirtschaft in dem Staat am östlichen Rand des Mittelmeers stärkt. Trotzdem gibt es auch viele Skeptiker.
Am Dienstag, den 21. April 2020, war es soweit: Das libanesische Parlament stimmte für die Legalisierung von Cannabis. Die Voraussetzungen hierfür lauten: Der Einsatz muss medizinisch begründet sein und allein der Staat hat das Recht, mit der seit Jahrtausenden bekannten Heilpflanze zu handeln. Dass sich die Hanfpflanze in dem kleinen Land nördlich von Israel wohlfühlt, ist bereits ausreichend bewiesen. Nach Angaben des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) gehört der Libanon schon lange zu den „wichtigsten“ Produzenten von illegalem Cannabis. Insbesondere in der sogenannten Bekaa-Ebene im Osten des Landes gedeiht der Hanf vorzüglich. Bemühungen, den illegalen Ackerbau einzudämmen, scheiterten regelmäßig.
Im Libanon herrscht aktuell eine schwere Wirtschaftskrise
Wirtschaftlich geht es dem Staat aktuell sehr schlecht. Staatsanleihen können nicht mehr bedient werden und die Coronakrise verschärft die Situation weiter. Daher ist der Schritt zur Legalisierung auch wirtschaftliches Kalkül – wobei dies sicher für alle Länder gilt, die diesen – ungeachtet dessen überaus sinnvollen – Schritt gegangen sind. Aber noch sind die Aussichten düster: Wie in einem Bericht der Zeit beschrieben, rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) damit, dass die libanesische Wirtschaft im Jahr 2020 um ganze zwölf Prozent schrumpft. Es müssen also dringend Einnahmen generiert werden. In anderen Ländern hat dies bereits funktioniert: In den USA, Deutschland und vielen anderen Staaten herrscht wahre Goldgräberstimmung unter den Unternehmen. Letztgenannte wird es im Libanon zunächst nicht geben, wie erwähnt obliegt dem Staat die alleinige Handelsmacht. Und dennoch gilt als wahrscheinlich, dass nennenswerte Einnahmen für die Staatskasse generiert werden können.
Staatlicher Verkauf soll illegalen Drogenhandel austrocknen
Neben einer zumindest teilweisen Entschärfung der wirtschaftlichen Situation erhofft sich die Regierung um Ministerpräsident Hassan Diab eine Austrocknung des florierenden Drogenhandels. Die Bauern, bisher in Ermangelung von Alternativen auch Lieferanten illegaler Drogenclans, sehen die Entscheidung aus Beirut mit gemischten Gefühlen:
Auf der einen Seite bedeutet das, wir können die Pflanze offen anbauen. Auf der anderen Seite habe ich Angst, dass die Regierung als Einzige von dem Verkauf profitieren wird
sagt Landwirt Abu Ali Schreif im Gespräch mit dem Tagesspiegel und fährt fort:
Offen gesagt, ich traue unseren Politikern nicht. Was ist, wenn sie beschließen, unsere Ernte zu sehr niedrigen Preisen zu kaufen, wie sie es mit Tabak machen, und es den Unternehmen dann zu hohen Preisen verkaufen? Dann würde das ganze Geld in ihre Taschen fließen, nicht in die der Bauern oder in die öffentlichen Haushalte.
Man darf also skeptisch bleiben.